Im Juni 2016 bin ich für drei Wochen mit dem Rucksack und meiner Analogkamera durch Indonesien gereist. Dieser Beitrag ist Teil meines Reiseberichts.
Cianjur ist eine dörfliche Region südöstlich von Jakarta und bietet keine nennenswerten Sehenswürdigkeiten. Tourismus ist hier ein Fremdwort und auch unter Indonesiern stieß ich vorrangig nur auf fragende Blicke. Hauptsächlich lebt die Region von der Fischerei und Landwirtschaft, allen voran dem Reisanbau – das klingt jetzt wenig spektakulär, aber ich witterte eine wunderbare Gelegenheit, die andere Seite Indonesiens abseits der bekannten Städte mitzuerleben.
Während meiner Zeit in Jakarta, habe ich Mandy kennengelernt – eine Backpackerin, die ironischerweise fast aus meiner Nachbarschaft stammt und bereits seit einem halben Jahr durch Südostasien reist. Als ich ihr von Cianjur erzählte, war sie direkt angetan und wir beschlossen, uns gemeinsam ins Abenteuer zu stürzen.
Am nächsten Tag ging es los: In viel zu früher Morgenstund stiegen wir in ein gut gefülltes Sammeltaxi und fuhren in Richtung Cianjur – unterwegs gesellten sich immer mehr Gäste hinzu und so ersetzte das zunehmende Gequetsche schon bald die fehlenden Anschnallgurte. Die Fahrt dauerte knapp vier Stunden und je weiter wir uns von Jakarta entfernten, desto klarer wurde die Luft: Der Smog wich einem blauen Himmel und die überfüllten Straßen mitsamt der hohen Gebäude verwandelten sich in Berge und Reisfelder. Am liebsten wäre ich direkt ausgestiegen und mit meiner Kamera durch die schöne Natur gelaufen, aber dazu würde ich in der kommenden Woche schon genügend Zeit finden – und tatsächlich: fünf Minuten später erreichten wir bereits unser Ziel und begrüßten Yudhi und seine Familie, die uns in ihrem Homestay aufnahmen.
Ebenfalls zu Gast: Judith aus Amsterdam. Wenig später lernten wir auch noch Dewa aus Cianjur kennen. So entstand im Handumdrehen unsere kleine Abenteuergruppe – von wegen alleine Reisen sei einsam 🙂
Floating Village
Da wir noch alle etwas kaputt waren und ich mir in Jakarta den Fuß verletzt habe, gingen wir es vorerst etwas ruhiger an und erkundeten am ersten Tag das Floating Village: Ein im Wasser errichtetes Dorf, das nicht etwa auf Pfeilern steht, sondern tatsächlich schwimmt. Nach einer 30-minütigen Autofahrt, enterten wir ein kleines Boot und schipperten quer durchs Dorf – nicht gerade spannend, aber dafür entspannend. Schliesslich legten wir an einem schwimmenden Haus an und liessen unsere Füße in einem Fischbecken baumeln – Ich bin nicht kitzelig, aber wenn unzählige Fische anfangen an meinen Füßen zu nagen, ist mir das nicht ganz geheuer und mein Selbsterhaltungsinstinkt wird aktiv – die Mädels hatten hingegen weniger Probleme 🙂 Nachdem die Fische sich satt gegessen hatten, fuhren wir zum gegenüberliegenden Ufer und ernteten die Bohnen von einem Kakaobaum: Ich hatte mir nie Gedanken gemacht, wie Schokolade eigentlich kultiviert wird und nun Stand ich in einem Wald voller Kakao. Crazy lecker!
Rural Mountain Village
Am nächsten Tag fühlte sich mein Fuß schon deutlich besser an und ich traute mir wieder eine größere Tour zu. Also stiegen wir in einen kleinen Van und rasten an unzähligen Reisfeldern vorbei, während aus den Lautsprechern ein raviger Breaks-Remix von Super Juniors „Mr. Simple“ knallte. Unterwegs tuckerten wir durch eine kleine, matschige Dorfstraße und wurden von freudestrahlenden Kindern verfolgt – am Straßenrand stand ein Jugendlicher, sein schlichtes T-Shirt forderte „Follow me on Instagram“, von einem Accountnamen fehlte jede Spur. Generell hatte die Fahrt etwas sehr skurriles.
Nach knapp einer Stunde hatten wir unser Ziel erreicht und standen vor einem riesigen Berg auf dessen Spitze sich ein Dorf befinden sollte. Tatsächlich passierten wir auf unserer Wanderung gleich mehrere kleine Siedlungen, die quer über das riesige Gebiet verteilt und allesamt nur über Trampelpfade erreichbar waren – das Ganze wirkte sehr ursprünglich und auch motorisierte Fahrzeuge konnte ich nirgends sehen. Während wir anfangs noch erkennbare Pfade wählten, drangen wir zunehmend in unbewohnte Gebiete vor, bis die Pfade schliesslich verschwanden und einem kleinen Fluss am Rande des Berges wichen: Also Schuhe aus und rein ins Wasser. Irgendwann stellt sich uns ein riesiger Baum in den Weg und wir mussten auf die 10 cm breite, glitschige Flussbegrenzung ausweichen. Rechts davon nur der steile, hunderte Meter tiefe Abhang. Judith ist hier tatsächlich ausgerutscht und wir konnten sie gerade noch festhalten. Nach diesem kleinen Schreck empfing uns auch schon das nächste Hindernis: Eine 5 Meter lange Schlucht, die sich nur über einen umgestürzten, nassen Baumstamm überqueren liess. Auf der anderen Seite wartete ein kleiner Wasserfall auf uns – also wanderten wir barfuß über den Baum und blickten den tödlichen Abgrund hinab.
Als wir schliesslich den Berg erklommen hatten, stellte Dewa uns einigen Einwohnern vor, die uns direkt bekochten. So saßen wir wenig später in einer traditionellen Unterkunft, spielten mit kleinen Kätzchen und ruhten uns bei einer gemeinsamen Mahlzeit aus: Reis, leckeres Tempeh, verschiedenes Gemüse und scharfe Soße.
Mit neuen Kräften ging es nach unserer kurzen Pause weiter durch dichte Wälder, vorbei an großen Reisterrassen und verschiedensten Landwirten bei der Arbeit. Da es ja langweilig wäre, den gleichen Weg wieder zurückzunehmen, stiegen wir auf der anderen Seite des Berges hinab und bewegten uns langsam, aber sicher der Zivilisation am Boden entgegen. Aus den Trampelpfaden wurden wieder breitere Wege und als wir schliesslich einige Autos entdeckten, wechselten wir auf einen fahrbaren Untersatz – von befestigen Straßen waren wir noch weit entfernt, aber die kleinen, wendigen Autos der Indonesier finden immer einen Weg: Kurzzeitig musste sogar ein ausgetrocknetes Flussbett herhalten. Auf halber Strecke stieg plötzlich noch ein Junge mit seiner Ukulele dazu, spielte und sang uns einen erstaunlich guten Song vor, nahm eine kleine Spende entgegen und sprang wieder aus dem fahrenden Auto. Krasser Typ!
Dies war Teil 2 meines Indonesien-Berichts, aber noch lange nicht alles über Cianjur. Im dritten Teil erfahrt ihr mehr über indonesische Schulen, Kochkurse und meinen Besuch bei Dewas Familie.